Experteninterviews
2025-04-23

Ohren anlegen bei Kindern und Erwachsenen: Trends & Innovationen

Ohren anlegen bei Kindern und Erwachsenen: Trends & Innovationen

Bei den Ohrmuschel-formenden Operationstechniken zeichnen sich neue Trends ab, hin zu deutlich schonenderen und weniger invasiven Verfahren. Mittlerweile gibt es minimalinvasive bis hin zu „non-surgical“-Methoden, die teilweise auch in der populärwissenschaftlichen Diskussion und kommerziellen Medien hervorgehoben werden. Doch eignen sich aktuelle Innovationen und Trends in der Ohrmuschelkorrektur als potenzielle „Therapiealternativen“ zu den herkömmlichen chirurgischen Ansätzen?

Dr. med. Christian Jacobi ist Facharzt für Plastische Operationen und HNO, Kopf-, Halschirurgie, hat zahlreiche plastische Ohrkorrekturen durchgeführt und verfügt daher über ein weitreichendes fundiertes und praktisches Fachwissen. In unserem Interview beantwortet Herr Dr. Jacobi allgemeine Fragen zur Otoplastik sowie zu den Trends & Innovationen bei Kindern und Erwachsenen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es im Allgemeinen für abstehende Ohren?

Unter den klassischen chirurgischen Verfahren versteht man verschiedene Schnitt-, Ritz- und Nahttechniken, bei denen der Ohrknorpel – oft durch eine Kombination dieser Verfahren - in die gewünschte Form gebracht wird. Zudem gibt es auch minimal-invasive Methoden wie den Einsatz eines Metallimplantats, namens EarFold® oder auch alleinige Fadentechniken, die die Ohrmuschel in die richtige Position biegen können. Des Weiteren können theoretisch in den ersten Lebenswochen nicht-chirurgische Methoden genutzt werden, um die Ohren sanft und nachhaltig zu formen. Dazu zählen spezielle Ohrpassformen, meist bestehend aus Schienen und Tapes, die an das Ohr der Neugeborenen für mehrere Wochen angepasst werden.

Herr Dr. Jacobi, was sind die neuesten Trends in der Otoplastik bei Kindern?

Es ist ein Trend zu erkennen, dass minimalinvasive Methoden und nicht-chirurgische Verfahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. Bei der minimalinvasiven Fadenmethode werden ohne große Schnitte die Fäden unter der Haut platziert, um den Knorpel in die gewünschte Form zu bringen. Zudem kommt auch häufiger das EarFold®-Implantat, ein flexibel Metallimplantat, zum Einsatz, welches durch einen kleinen Schnitt eingesetzt wird und das Ohr dauerhaft in die gewünschte Position bringt. Diese Techniken zeichnen sich besonders dadurch aus, dass Patienten von kürzeren Ausfallszeiten, tendenziell schnellerer Heilung und weniger Schmerzen profitieren können. Besonders im internationalen Kontext kann eine vermehrte Anwendung der Ohrpassformen in den ersten Lebensmonaten beobachtet werden. Während die Anwendung in Deutschland aufgrund der nicht vorhandenen Patienteneinwilligung rechtlich nicht erlaubt ist, hat sich in manchen Ländern wie den USA und China ein entsprechendes systematisches Neugeborenen-Screening auf solche Ohrmuschelfehlbildungen etabliert.

Was sind die Vorteile der Fadenmethode („incisionless“)?

Die Fadenmethode kommt ohne größere Inzisionen aus, das heißt, es werden lediglich kleine Einstiche, sog. Stichinzisionen gemacht. Dadurch bleibt die Haut weitgehend unversehrt. Zudem wird der Ohrknorpel nicht großflächig freigelegt oder angeschnitten, was eine unnatürliche Deformierung per se verhindert. Ein wesentlicher Vorteil für die Patienten stellt definitiv die kürzere Operationszeit dar im Vergleich zu einer klassischen Otoplastik. Da keine großen Schnitte oder starke Traumata entstehen, sind Schwellungen und Schmerzen oft geringer, und die Patienten können schneller in den Alltag zurückkehren. Gleichzeitig können aus meiner Sicht nicht alle gängigen Deformitäten alleinig mit dieser Methode behoben werden, weshalb ich immer ein individuelles Vorgehen und meist eine Kombination der Techniken propagiere. Auch werden erhöhte Langzeitkomplikationen wie Rückstellungen (besonders bei Erwachsenen) und Hervortreten der permanenten Fäden durch die Einstichstellen diskutiert.

Wie funktioniert das EarFold®-Implantat?

Das Implantat, welches aus einem elastischen Nitinol-Implantat mit Goldbeschichtung besteht, wird durch einen kleinen Schnitt unter die Haut eingesetzt, um die Ohrmuschel dauerhaft in die gewünschte Position zu bringen. Dies kann sowohl im Kindesalter als auch bei Erwachsenen vorgenommen werden. Vor der eigentlichen Behandlung kann das Endergebnis gut simuliert werden, da die optimale Positionierung zunächst bestimmt werden muss. Das Implantat spannt sich nach der Platzierung automatisch und biegt die sog. Anthelixfalte in die gewünschte Form. Vorteilhaft ist für die Patienten, dass die Eingriffsdauer pro Ohr ca. 10–20 Minuten beträgt und die Erholungszeit meist sehr kurz ausfällt. Je nach vorliegender Pathologie kann es aus meiner Sicht jedoch nicht ausreichend sein, nur die Anthelixfalte zu formen. Sollten weitere Korrekturen der zahlreichen ästhetischen Untereinheiten des Ohres (z.B. Ohrläppchen, eigtl. Ohrmuschel = Concha, Stellung der gesamten Ohrmuschel zum Kopf) bin ich mit dieser Methode in Bezug auf das ästhetische Endergebnis limitiert. Daher ist eine sorgfältige Vorselektion der Patienten besonders wichtig.

Wann sollte Ihrer Meinung nach eine Otoplastik bei Kindern durchgeführt werden?

Eine Otoplastik empfehle ich frühestens ab fünf Jahren, da erst dann eine gewissenhafte, psychologische Einschätzung des Kinderwillens überhaupt möglich ist. Da es sich in aller Regel um eine nicht-medizinische Operation handelt, ist bei der Indikationsstellung äußerste Vorsicht und Zurückhaltung geboten und der genaue Patientenwille muss immer genau und unabhängig der Eltern geprüft werden. Im Zweifel sollte immer die Volljährigkeit der jungen Patienten abgewartet werden. Auch ist erst ab etwa 5–6 Jahren der Ohrknorpel dahingehend ausgereift, sodass eine Operation dauerhaft stabile Ergebnisse liefern kann.

Werden die Kosten für das Ohren anlegen bei Kindern von der Krankenkasse übernommen?

Die Kostenübernahme einer Otoplastik durch die gesetzliche Krankenkasse ist nicht automatisch gegeben, sondern hängt davon ab, ob eine medizinische Indikation vorliegt. Dies ist der Fall, wenn das Kind durch die abstehenden Ohren psychisch oder psychiatrisch beeinträchtigt ist. Hierfür sollten Eltern davon ausgehen, dass ein psychiatrisches Gutachten erforderlich sein kann. Zudem gelten schwere Fehlbildungen als medizinische Indikation und werden oftmals von den Krankenkassen übernommen. Eine Kostenübernahme sollte immer im Vorfeld eines Eingriffs angefragt werden.